Beobachtungen zur Käferfauna (Insecta - Coleoptera) an Besenginster


Text © H.-J. Gießmann, C. Benisch, 2011 – Fotos/Filme © H.-J. Gießmann




1.   Einleitung

Besenginster Cytisus scoparius Abb. 1: Besenginster Cytisus scoparius (a) Habitus; (b) Unreife Fruchthülsen mit Fraßspuren von frisch geschlüpften Bruchidius-Larven

Der Erstautor hat seit meh­reren Jahren in einer Kiesgrube an der A 20 in Höhe Neukloster (Mecklenburg-Vor­pommern, Land­kreis Nord­west­mecklen­burg) einen rot­blühenden Strauch des Besen­ginsters (Cytisus scoparius, Abb. 1) beobachtet. Im Herbst 2008 wurden erstmals einige reife, aber noch geschlossene Frucht­hülsen zur Samen­ge­winnung eingetragen.

Beim Öffnen der Fruchthülsen wurden mehrere lebende Exem­plare zweier Käferarten fest­gestellt, die später vom Zweitautor als Ginster-Samen­käfer Bruchidius villosus (F., 1792) (Col., Bruchinae, Abb. 2b) und als Spitz­maus­rüssler Exapion fuscirostre (F., 1775) (Col., Apionidae, Abb. 2a) bestimmt wurden. Die beiden Arten sind von ähnlicher Körpergröße. Nach Literaturangaben wird Bruchidius villosus 1,7-3,5 mm, Exapion fuscirostre 2,4-3,0 mm groß.

Exapion fuscirostre und Bruchidius villosus Abb. 2: (a) Spitzmausrüssler Exapion fuscirostre, (b) Ginster-Samenkäfer Bruchidius villosus

In den Folgejahren (2009–2011) wurde das Auftreten der beiden Käferarten in verschiedenen Ginsterbeständen in der Umgebung von Bad Doberan (Satow, Kritzmow, Hohenfelde) im Landkreis Rostock näher untersucht.

In jedem Jahr waren in den Unter­suchungs­flächen beide Käferarten vorhanden, wobei die relative Abundanz der beiden Arten in Abhängigkeit vom Jahr, Standort und Probetermin schwankte. Eine Anfang August 2010 vorgenommene Auswertung von 101 Hülsen vom Standort Kritzmow ergab das in Tab. 1 gezeigte Ergebnis. Von den Fruchthülsen, die nur mit Exapion belegt waren, enthielten 17 auch parasitäre Wespen, im Falle von Bruchidius waren es dagegen vier. In sieben Fruchthülsen konnten nur noch Brackwespen-Imagines festgestellt werden und keine lebenden Imagines von Exapion oder Bruchidius. Die Wirtstiere dieser Wespen anhand der Fraßbilder an den Samen wurden damals nicht ausgewertet. Es ist zu beachten, dass die Ergebnisse in Tab. 1 eine Momentaufnahme darstellen. Es ist durchaus möglich, dass sich noch ungeschlüpfte Käfer in den Samen befanden.



2.   Entwicklung von Bruchidius villosus

Der Samenkäfer Bruchidius villosus legt seine länglichen Eier an der Oberfläche der Fruchthülsen ab, an der die Eier fest anhaften (Abb. 3a). Die frisch geschlüpfte Larve frisst sich entweder direkt in das Innere der Hülse oder legt zunächst einen kleinen Gang im Oberflächengewebe an, um dann in das Innere der Hülse einzudringen.

Bruchidius villosus Eier und Larven Abb. 3: (a) Eier des Samenkäfers Bruchidius villosus auf einer Ginsterhülse; (b) Larve von Bruchidius villosus frisst sich am Nabel des Ginstersamens in die Frucht; (c) Larve von Bruchidius villosus im geöffneten Ginstersamen.
Film 1: Schlupf von Bruchidius villosus


Die jungen Larven fressen sich in der Nähe des Nabels in die noch unreifen Ginstersamen ein (Abb. 3b). Durch die Fraßtätigkeit der Larven wird die Samenentwicklung zunächst nicht gestört. Äußerlich sieht der Samen unbeschädigt aus (Abb. 3c). Zum Zeitpunkt der Verpuppung im Inneren des Samens ist das Nährgewebe fast vollständig aufgefressen. Der im Samen geschlüpfte Käfer frisst sich durch die Samenschale, indem er sie ringförmig durchtrennt (Film 1). Durch die entstandene Öffnung gelangt er zunächst in die Hülse und verbleibt dort bis sie aufplatzt.

Im Jahr 2011 wurden die ersten Eiablagen in der Umgebung von Bad Doberan Anfang Juni beobachtet. Die Anzahl abgelegter Eier an normal entwickelten Hülsen am 25.06.2011 schwankte zwischen drei und 17 Stück. Eine Auszählung zu den Entwicklungsstadien am 30.06.2011 ergab folgendes Ergebnis: frisch abgelegte Eier 13%, Eier mit Eilarven 39%, verlassene Eihüllen 48%. Knapp zwei Monate nach Beobachtung der ersten Eiablagen wurden Ende Juli die ersten Imagines gefunden. Die Schlupfphase erstreckte sich noch über den gesamten August.



3.   Entwicklung von Exapion fuscirostre

Bisher ist es den Autoren noch nicht gelungen die Eiablage des Spitzmausrüsslers Exapion fuscirostre zu beobachten. Nach Literaturangaben werden die Eier in die Hülsen abgelegt.

Exapion fuscirostre Larve, Puppe, Schlupf Abb. 4: Exapion fuscirostre (a) Larve an Ginstersamen; (b) Puppe im Ginstersamen; (c) Imago kurz vor dem Verlassen eines Ginstersamens. Die Kittsubstanz (gelb) befindet sich um das Fraßloch.
Film 2: Schlupf von Exapion fuscirostre


Nach eigenen Beobachtungen dringen die Larven ähnlich wie die der Samenkäfer in die Samen ein um dort das Nährgewebe zu fressen. Im Gegensatz zum Samenkäfer fressen die Larven in einem späteren Entwicklungsstadium allerdings die Samenschale und gelegentlich auch benachbarte Samen an (Abb. 4a).

Auffällig war, dass die Larven sich teilweise "einkitten", indem sie die Öffnungen an den Samen unter Einbeziehung der Innenseiten der Hülsen mit einer breiartigen Substanz verschließen. In diesen Kammern finden die Verpuppung (Abb. 4b) und der Schlupf (Abb. 4c, Film 2) statt. Die "Freisetzung" der Käfer erfolgt beim Aufplatzen der Hülsen. Es ist anzunehmen, dass die Entwicklungszeit ähnlich der von Bruchidius villosus ist, da die Käfer zur gleichen Zeit in den Hülsen angetroffen werden.



4.   Parasiten

Brackwespe Triaspis sp. Abb. 5: Brackwespe Triaspis cf. simulator: (a) Weibliche (links) und männliche (rechts) Puppe; (b) Weibliche Imago.

Ungewöhnlich war im Jahr 2010 ein starkes Auftreten parasitischer Brackwespen (Hymenoptera, Braconidae) in den Hülsen. Die Be­stim­mung durch Prof. Kees van Achterberg (Department of Terrestrial Zoology, Nether­lands Centre for Biodiver­sity Naturalis, Leiden) ergab eine Zuordnung zur Gat­tung Triaspis, wobei es sich wahrscheinlich um Triaspis simulator (SZEPLIGETI, 1901) handelt (Abb. 5).

Auch im Jahr 2011 war eine Parasitierung der Käferlarven festzustellen, wenngleich in geringerem Umfang als in 2010. Anfangs wurden die Parasitenlarven nur auf den Käferlarven beobachtet, im Laufe ihrer späteren Entwicklung fraßen sich die Parasitenlarven teilweise jedoch auch in die Käferlarven hinein (Filme 3 und 4). Die parasitierten Larven schienen gelähmt zu sein und zeigten keinerlei Abwehrbewegungen. Die Brackwespenlarven verpuppten sich in Abhängigkeit vom Wirt in bzw. an den ausgefressenen Samen. Interessant dabei war, dass die Brackwespen-Imagines auch in der Lage waren sich durch die Samenschale zu fressen.

Film 3: Brackwespenlarve parasitiert Bruchidius villosus
Film 4: Brackwespenlarve parasitiert Exapion fuscirostre

Neben den Käferlarven wurden Anfang Juni 2011 in den Ginsterhülsen vereinzelt Gallmückenlarven (Diptera, Cecidomyiidae) nachgewiesen, die durch ihre gesellige Lebensweise und Beweglichkeit auffielen. Durch ihre Saugtätigkeit verkümmerten die jungen Samen, meist alle in der gesamten Fruchthülse. Inwieweit dadurch die Entwicklung von Bruchidius und Exapion gestört oder gar gehemmt wird, bedarf weiterer Untersuchungen. Nach Arbeiten von WALOFF (1968) entwickelt sich die Gallmücke Contarinia pulchripes (KIEFFER, 1890) in England an Ginster. In bzw. an den Gallmückenlarven parasitierten Wespen, wahrscheinlich Erzwespen (Hymenoptera, Chalcidoidea, Abb. 6c).

Gallmücken Larven und Parasit Abb. 6: Gallmückenlarven: (a) Junge Larven bei Saugtätigkeit an der Samenanlage; (b) Ältere Larve; (c) Behaarte Larve einer parasitischen Wespenart (Mitte) saugt an Gallmückenlarve.


Schlussbemerkung

Die vorliegende Themenseite soll Momentaufnahmen aus dem Leben von Käfern in Bild und Wort darstellen und den interessierten Leser anregen, auch Beobachtungen an unauffälligen Lebewesen durchzuführen. Die Ginsterkäfer spielen inzwischen in einigen Ländern eine bedeutende Rolle im Kampf gegen die Ausbreitung des Ginsters über seine Samen auf Weideland.



Dank

Die Autoren danken Herrn Prof. Kees van ACHTERBERG für die Bestimmung der Brackwespen-Art. Für die Durchsicht des Seitenentwurfs geht ein besonderer Dank an Irina WÜRTELE und Klaas REISSMANN.



Literatur

Zeitschriften/Bücher:
  1. SANZ BENITO, M. J., GUERRA SANZ, P. (1999) "Immature stages of five species of the genus Exapion BEDEL (Coleoptera: Brentidae, Apioninae) associated with the seeds of Genista (TOURNFOURT) and Cytisus L. (Fabaceae)". In: The Coleopterists Bulletin 53(1), 8-26.
  2. HINZ, H.L. (1992) "Studies on the two seed feeding beetles Apion fuscirostre F. (Coleoptera: Apionidae) and Bruchidius villosus F. (Coleoptera: Bruchidae): potential biological control agents for broom (Cytisus scoparius)". M.Sc. thesis, Applied Entomology, Imperial College, London. 72 Seiten.
  3. HOSKING, J.R. (1995) "The impact of seed- and pod-feeding insects on Cytisus scoparius". In: Proceedings of the VIIIth International Symposium on Biological Control of Weeds (eds. E.S. DELFOSSE and R.R. SCOTT). Canterbury New Zealand, DSIR/CSIRO. Melbourne. S.45-51.
  4. MAZAY, S. (1993) "Etude de la faune entomologique s´attaquant à la reproduction du cytise à balais, Cytisus scoparius (L.) (Fabaceae) en Cévennes méridionales". Ingenieur Agronome thesis Universite Libre de Bruxelles, Bruxelles. 67 Seiten.
  5. SYRETT, P., FOWLER, S.V., COOMBS, E.M., HOSKING, J.R., MARKIN, G.P., PAYNTER, Q.E. and A.W. SHEPPARD (1999) "The potential for biological control of Scotch broom (Cytisus scoparius (L.)) and related weedy species". In: Biocontrol News and Information 20, 17-34.
  6. SYRETT, P., SHEAT, J.J., HARMAN, H. M., HARRIS, R. J., HAYES, L. M and E. A. F. ROSE (2000) "Strategies for Achieving Widespread Establishment of Broom Seed Beetle, Bruchidius villosus (Coleoptera: Chrysomelidae), a Biological Control Agent for Broom, Cytisus scoparius, in New Zealand". In: Proceedings of the X International Symposium on Biological Control of Weeds, 4-14 July 1999, Montana State University, Bozeman, Montana, USA, 761-771.
  7. WALOFF, N. (1968) "Studies on the Insect Fauna on Scotch Broom Sarothamnus scoparius (L.)". In: Advances in Ecological Research, 5, 87-208.
  8. BRANDL, P. (1981) in FREUDE, H., HARDE, K. W., LOHSE, G. A.: Die Käfer Mitteleuropas, Band 10, Rhynchophora, S. 16 ff.
  9. BEHNE, L. (1994) in LOHSE, G. A., LUCHT, W. H.: Die Käfer Mitteleuropas, 3. Supplementband, Apioninae, S. 207 ff.

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